With Julia Knaß
Ich habe 1 Weinkrampf
auf 1 Selfie, postgeweint: mein Gesicht halb im Schatten, die Lippen gerötet und geschwollen, die Augen klein und nass. Ich stelle mir vor, ich schicke es ihm mit der Bitte um Erlaubnis. Ich stelle mir vor, ich schreibe, bitte, bitte, sag mir, dass ich traurig sein darf, dass ich weinen darf, bitte schenk mir das, ein
Draußen scheint dir die Sonne und das Auge hat ihnen allen ganz von alleine die Stellen blockiert, in denen – die Frauen tragen niemals Köpfe, sondern tausende, unter ihren Fingernägeln und immer ein anderes objet trouve als Körper. Worüber wir sprechen wenn wir über Dali, Goya, Picasso reden. Nur niemals über das.
Mein Fuß berührt sacht sein Bein, während er mir erzählt, er habe mit 15 schon Adorno und Marx gelesen, aber er lese erst jetzt zum ersten Mal die Erzählungen von Bachmann und ob ich UNDINE GEHT kenne, ob ich das kenne, mein Fuß berührt sacht sein Bein und ich lache, ich sage, schau, ich habe sogar etwas in Anlehnung daran geschrieben, ich sage, etwas, und meine JEDES WORT er entgegnet, dass das maßlos wäre, von mir, dass man da aufpassen müsse, sich in so einen Kontext zu stellen, wer ich denn denke, dass ich sei, wer ich bin: mein Fuß berührt sacht sein Bein und ich lache, und verändere den Druck, und sage MALINA und will ihn verschlingen, in meiner Maßlosigkeit.
Unterhaltsamerweise zog ich mir da
eine Augenverletzung zu
weil ich auf den Bildern immer andere Beine
andere Augen tragen MICH
auf seinen
ich weiß nicht mehr ob es Absicht war
ob ich ein Foto
oder ein schlampiges Gemälde
welcher Mythos ihnen dahinter steckt
Salome
(Ich trage sie im Kopf)
Medusa
(Ohne Anblick)
Elektra
(Mein Vater hat mir den Namen gegeben)
(du musst sie doch schon anblicken können um zu erkennen)
Oder die Antwort wird hier nebensächlich, es geht um eine oberflächliche Rezeption
1 Höhepunkt schlampiger Auseinandersetzung
Als er mich fragt
ich antworte
Er sei mir Pygmalion Mythos und
immer diese Fetzen, sagt der Vater
(Erinnerungsfetzten Wortfetzten Hautfetzen Kleiderfetzten)
an mir
(Der Fleck, der von ihr (wollen wir schreiben, Mutter?) blieb in meinem linken Auge : la destruction, aber ich gebe ihm seinen Namen, und ich putze meine Brillengläser nie, ein Filter aus getrockneten Tränen, vor meinen Augen, wie kannst du da noch etwas sehen, soll ich deine Brille putzen, für dich, aber ich will nicht, ich will nichts)
Es wird etwas mit einem Vater zu tun haben, im Grunde hat alles mit meinem Vater zu tun
ich will Erklärungen und ich will mich erklären, verorten, ich will einen Grund für ALLES, ich schreibe VATER, ich verzeichne auf meinem Körper alle Leerstellen, ich schreibe VATER und meine GRUND, SPIEGEL
Ich habe jeden Tag einen neuen davon, in so vielen Formen, nur keine Zeit.
Vater ist ungeduldig. Also – ich schreibe ihn als schnelle Geschichte. In den Geschichten sind sie alle – vergoldet (Siehst du, wie Pygmalion wiederkehrt?)
nur umgekehrt, weil ich hab doch – die Lebenden zu Gold gemacht, verstehst du?
Mein Vater ist ein junger Mann.
Ich bin MÄDCHEN.
sitze still.
Alleine in Cafés.
Und warte auf
Infernalisches
Ich bin nervös und ängstlich.
Ich habe Angst, dass er nicht kommt.
Dass ich für immer still sitze.
Eine Statue werde.
Eingefrorenes Kind.
Mädchen.
Was, wenn er einfach nicht kommt?
Mir nie mehr schreibt?
Was, wenn er mich nicht mehr will?
Was, wenn ich alleine in allen Cafés bleibe.
Wie er mir die Zuckerpäckchen aufheben wird, und zustecken, während ihm die Menschen hässlich werden. “Diese winzigen Päckchen Würfelzucker aus dem Cafe die neben der MELANGE auf der Silbertasse”
oder ich nehme sie an mich
ohne zu fragen
und diebisch
aber ich habe keine Erinnerung mehr
an den Zucker
aber schon
and meinen Mund
(mir kugelrund und voll geworden)
VATER, war immer nur mein zweites Wort
heute trinke ich alles ungesüßt
ich bin keine Süße
er meint, er wolle mir da widersprechen
ich dürfe das schon
süß sein und Feministin
er gibt mir die Berechtigung,
süß zu sein und aktiv
also sitze ich nicht mehr still und lächle
und mein Kleid rutscht 5 Zentimeter nach oben
für ihn, cute
(ich möchte es erklären, mich, sagen, in die Welt der Signifikanten bin ich also eingetreten mit anderen Wörtern, und verstehst du was ich damit sagen möchte? Ich schreibe ihm, Helen Cixous,erkennst du jetzt? ich erhalte ikonische Zeichen als Antwort, die niemals abgeschlossen werden, in ihren Bedeutungen, in einem angenommen geschlossenen Bedeutungssystem, ich habe aufgehört zu existieren, usw, usw,usw)
Mein Vater war kein kluger Mann. Und rannte mir auf der Stirn. Und warum auch das Präteritum. Mein Vater ist immer noch am Leben. Stehaufmännchen.
Ich bin Tochter und Matrjoschka und kann gut schlucken.
Ich war mal nicht. Ich bin es manchmal immer noch.
Sie hat was mit den Nerven, sagen die alten Männer.
Das sind ihre Nerven. Oft ist sie unerträglich.
Eine richtige Teufelin ist sie.
Mein Vater ist Professor und Männer in Cafes und Stehaufmännchen
und an guten Tagen Jacques Derrida
und hier bin ich
und
warte auf
Altmännerhände
die sich hinter meinem Rücken verschränken
und Dinge die nach Mitternacht passieren
Und wie jung und dumm sie mir danach alle werden.
Sie haben 1 Weinflasche
Ich habe 1 Weinkrampf
Alle meine Bedeutungssysteme schließen sich zusammen, zur Ordnung des –
Auf den meisten Bildern trägt er einen Steireranzug, und im Steireranzug sind sie alle gleich.
auf gemeinsamen Fotos verschwinde ich wie in zu großen Kleidern in ihren viel zu großen Händen. Ich trage süße Kleidchen und denke mich als Geschenk an.
Wenn sie mit mir sprechen, dann verliert der Raum plötzlich seine Fenster und es gab auch davor, daraus, wohl niemals einen Ausblick. Hinter den vier Wänden hätte immer schon eine Welt liegen können, und es kam mir auch immer der Verdacht, aber nie die Idee, welche Welt es hätte sein können (in wechselndem Ausmaß, durch externe Perspektivierung). Als ich die Fenster verlor – es war immer Winter und brach gelegt. Hier drin ließen sich auch niemals Schatten erahnen, die auf etwas hindeuten könnten oder meinen Verdacht bestätigen.
Mit den Fenstern – ich verlor immer auch meinen Namen. Und wie einfallslos die Männer sind, mich alle als
Anna O
mich alle als
ein Fall
(als ihrer)
ich alle als
Falle
(meine)
Ich bin in der Anstalt,
verstehst du,
meine Freundin wird gebären
ein Lamm
und als Frau kann man dünn sein oder Mutter
also
dieses Lamm und ich werden
mich zum Fleischmarkt bringen
müssen
Ich werde mich an dieser Stelle dann
selbst fertig geschrieben haben
mit der einzigen Frage, die offen bleibt:
Wer von uns hat einem Vater ins Herz geschaut?
Man müsste zuerst Farbe kaufen, ihm eines aufzumalen.
an seiner Wand steht das Bet und über uns dein Gehörn, dein Geweih oder
nur mein Hirngewächs
Wer hat hier wen gedemütigt?
oder so. er erzählt, dass er morgen die Wäsche machen müsse, die Wohnung aufräumen und ich entgegne, dass ich sehr gerne putze, weil es mich beruhigt, aufwische, die Wäsche aufhänge, mich selbst, ich erzähle das und er meint, dass ich ja wissen müsse, was daraus folgt, dass ich ja wissen müsse, was er nun zu mir sagen werde, und ich lache und sehe mich auf seinem Boden
durch den Raum die Leine- die Wäsche hängt im Labyrinth – hier werde ich mich befestigen – als Spannleintuchgeistermädchen
ich möchte mich unerkenntlich zeigen
und ganz winzig
mit der Frage
Ist das ein Schnurrbart oder ein Charakter?
ich will, was er will, dass ich will, was er will, ich
Und wie ähnlich aber ich ihm werde – schon als kleines Mädchen fielen mir die Haare aus
manchmal will ich mir den Kopf ganz rasieren.
Aber –
vergessen Sie bitte was ich gesagt habe
ich hab sie mir ausgerissen
weil ich keine Worte habe um zu sagen-
um zu sprechen vom –
Nicht-Schmerz
du hattest 1 Weinflasche
ich hatte 1 Weinkrampf
wenn ich dir ein Foto schicke, dann ist es eines, auf dem ich lache, süß und brav und mit der richtigen Haltung, die Tränenselfies speichere ich für den Notfall
ich zähle auf was er beigebracht hat –
das Gehen, ganz ohne Beistand
wenn ich solche Erinnerungen schaffe, ich bin selbst ein-
Vatervergolder
Samstags wache ich auf und es fühlt sich an, als hätte das Gewicht sich mir entzogen, weil es ein Samstag ist und ich sage – Ich kann nicht mehr dein Schnapslehrjahrmädchen sein
ich komme nicht zurück ins Labyrinth aus Wäscheleinen
am Besäufniseingang
ich
hatte mir die Worte
wortlos gesoffen
hast du dich
(unter Tränen) – ich verblüh, ich verblüh, wenn er nicht anruft
Das hier muss niemals
sinnstiftend werden
es gibt keine spezifische weibliche Kunst
es gibt keine Frauenliteratur
Du kannst ohne weiteres so
(so auf Explikation verzichtend, ins Unkenntliche enstellt)
gehen, sagt Vater.